Zur Entstehung dieser Bilderfolge sagt Henzinger: „Den Anstoß zu dieser Arbeit gab eigentlich ein Brief, den mir Mag. Andrea Krzyzan, der zehn Jahre lang als Priester in der Kirche Kufstein- Endach wirkte, im Frühjahr 1993 schrieb. Als Seelsorger an die Uni-Klinik Innsbruck berufen, begleitet er Sterbende in ihrer letzten Stunde. In diesem Brief war zu lesen, dass beim Gottesdienst, der für eine jung verstorbene Frau gefeiert wurde, ein Text von Harry Scott Holland vorgetragen wurde. Dieser Text habe ihn sehr beeindruckt und ob ich nicht etwas daraus >machen< könne. Krzyzan überschreibt diesen Text mit - Canon of St. Paul's Cathedral -".
Ich musste mir den Text oft vorsprechen, bis ich ihm nahe kam, aber er kam mir insofern nicht ungelegen, da ich schon immer ein gewisses Interesse am Thema Tod hatte. Ich bin nun selbst in einem Alter, in dem man öfter und auch eingehender an den Tod denkt.
Angeregt durch diesen Text des Canon of St. Paul's Cathedral, begann ich mich mit dem Thema Tod eingehender zu beschäftigen und einschlägige Literatur zu lesen. Er sagt dazu: „Ich vertiefte mich in das Buch des Schweizer Arztes, Psychiaters und Philosophen Gion Condrau >Der Mensch und sein Tod<, dann in das >Tibetanische Totenbuch< und schließlich in das Buch des Priesters und katholischen Schriftstellers Ladislaus Boros >Der Mensch in seiner letzten Entscheidung< (Mysterium Mortis). Ich begann mich auch für Totentänze zu interessieren, die in französischen, italienischen und deutschen Kirchen zu finden sind. Sie entstanden im Laufe des 15. Jhrh. in der Folge der Pestzeit".
Dieser Text wurde also die Grundlage für die künstlerische Arbeit. Der Text wurde in 12 Sequenzen zerlegt. Henzinger sagt dazu: „Sicher ist es so im weitesten Sinn des Wortes auch ein Totentanz geworden, nicht so wie die, wo der Tod den Papst, den König bis zum Bauern und Kind zum Tode führt, sondern ein - Totentanz der Liebe - . Ich nenne ihn so, weil ich darin die Paarbeziehung zwischen Mann und Frau anklingen lassen will".
Nach einem Text von Harry Scott Holland, Canon of St. Paul's Cathedral:
- Der Tod bedeutet überhaupt nichts. Ich bin einfach in einen anderen Raum entschwunden (1)
- Ich bin ich und du bist du. Was wir füreinander waren, sind wir noch. (2)
- Ruf mich bei meinem alten, vertrauten Namen sprich mit mir auf die unbesorgte Art und Weise. Wie du es immer getan hast. (3)
- Mach keinen Unterschied in deinem Ton. Lass keine gezwungene Ernsthaftigkeit aufkommen. (4)
- Lache, wie immer wir gelacht haben über die Späße, über die wir uns gefreut haben. (5)
- Bete, lächle, denk an mich - bete für mich. (6)
- Lass meinen Namen so vertraut bleiben, wie er immer war. Lass ihn gesprochen werden - ohne besondere Betonung, ohne dass die Spur eines Schattens darüber liegt.(7)
- Das Leben bedeutet alles, was es immer bedeutet hat. (8)
- Es ist gleich, wie es immer war. Die Kontinuität bleibt ungebrochen. (9)
- Warum soll ich aus deinen Gedanken sein, nur weil du mich nicht siehst ? (10)
- Ich warte auf dich in der Zwischenzeit, irgendwo ganz nahe - gerade um die Ecke. (11)
- Alles ist gut. (12)
Der Tod bedeutet nichts - Holzschnitt; Japanpapier; 580 x 380 mm; 194/95
Ich bin einfach entschwunden. Der Tod trägt eine auf seinen Händen sitzende Frau in einen anderen Raum. Sie ist gelöst. Sie spielt Flöte. Der Mann steht davor. Er kann es nicht fassen, dass ihm die Frau weggenommen wird. Verzweifelt schlägt er die Hände überm Kopf zusammen.
Die Figuren blockhaft, nur mit wenigen, aber schwungvollen weißen Linien dargestellt.
Ich bin ich - Holzschnitt; Japanpapier; 580 x 380 mm; 1994/95
Die Frau kniet vor ihrem sitzenden Mann, der seine linke Hand auf sein Knie gelegt hat. Sie legt die eine Hand auf seine Schulter, die andere auf seine Hand am Knie. Sie scheint mit ihm zu reden, scheint ihn zu trösten. Er hört ihr zu, sieht sie aber nicht an. Sein Blick geht in die Ferne, er ist betrübt. Vielleicht ahnt oder sieht er, dass der Tod schon seine Hand auf die Schulter der Frau gelegt hat.
Die Maserung des Holzes, besonders beim Mann noch zu sehen. Signatur : rechts unten
Ruf mich - Holzschnitt; Japanpapier; 580 x 380 mm; 1994/95
Die Frau lässig zurück gelehnt. Der Tod stützt sie. Der Mann sitzt neben ihr und schaut auf den Betrachter. Feine, zarte Zeichnung der Figuren. Am rechten unteren Bildrand eine Blume. Vielleicht
86 ein Zeichen der Hoffnung.
Mach keinen Unterschied - Holzschnitt; Japanpapier; 580 x 380 mm; 1994/95
Der Mann an den Stamm eines blühenden Baumes gelehnt, die Hände auf das angewinkelte Knie gelegt, schaut auf die Frau. Die Frau sitzt mit übereinander geschlagenen Beinen vor ihm auf dem Boden. Mit erhobener linker Hand redet sie mit dem Mann und sieht ihn dabei an. Der Tod steht hinter ihr.
Die Körper der beiden sind mit stärkeren, schwungvoll durchgehenden Linien gezeichnet. Mann und Frau wirken gelöst und entspannt. Eine ruhige, friedliche Szene.
Lache - Holzschnitt; Japanpapier; 580 x 380 mm; 1994/95
Mit ihrem rechten Knie auf dem Boden, den linken Fuß aufgestellt, die rechte Hand auf den Oberschenkel gelegt, wendet die Frau sich dem neben ihr hockenden Mann zu. Sie will ihm ihren linken Arm auf die Schulter legen. Der Mann versucht sie zu umarmen. Zärtlich legt er seine rechte Hand auf den Arm der Frau.
Die Szene spielt in einem Raum. Am linken oberen Bildrand sind zwei Lampions zu sehen. Vielleicht ist es ein Ballsaal, in dem getanzt und gelacht wird. Rechts oben aber wieder der Tod.
Bete, Lächle - Holzschnitt; Japanpapier; 580 x 380 mm: 1994/95
Der Mann sitzt mit gekreuzten Beinen am Boden. Seine rechte Hand liegt auf seinem Oberschenkel, mit der linken stützt er seinen zur Seite geneigten Kopf. Sein Körper verdeckt fast zur Gänze die Frau und den Tod, der auch hier seine Hand auf die Schulter der Frau gelegt hat. Tod und Frau sehen den Betrachter an, der Mann aber richtet seinen Blick nachdenklich in die Ferne.
Die Körper werden mit durchgehenden, schwungvollen Linien gezeichnet. In der linken oberen Ecke drei Blüten eines kleinen Bäumchens.
Lass meinen Namen - Holzschnitt; Japanpapier; 580 x 380 mm; 1994/95
Mann und Frau stehen sich gegenüber. Sie reden miteinander. Die Frau unterstreicht ihre Worten mit den Gesten ihrer Hände. Der Mann hört ihr zu und schaut ihr dabei in die Augen. Der Tod aber hält die Frau fest.
Das Leben bedeutet alles - Holzschnitt; Japanpapier; 580 x 380 mm; 1994/95
Unter zwei beblätterten Blütenstengeln sitzen sich Mann und Frau gegenüber. Sie umarmen sich. Ihre Gesichter wenden sie aber dem Betrachter zu. Auf diesem Holzschnitt die Metapher des Todes, der Totenkopf (links unten) und die des Lebens, die strahlende Sonne (rechts unten) zu sehen.
Beide Figuren mit schwungvoll sich überschneidenden Linien dargestellt.
Es ist gleich - Holzschnitt; Japanpapier; 580 x 380 mm; 1994/95
Lässig, das linke Bein angewinkelt, das rechte darüber gelegt, sitzt die Frau, mit den Händen sich abstützend, auf einer Matte. Der Mann sitzt neben ihr, weist mit der Hand auf sie, so als ob er etwas sagen wollte. Er sieht sie auch an. Zwischen den Köpfen der beiden der Tod, der die Frau niederdrücken will.
Warum soll ich - Holzschnitt; Japanpapier; 580 x 380; 1994/95
Mit seinen Händen sich abstützend, beide Knie fest an den Körper herangezogen, sitzt der Mann auf dem Boden. Dahinter, ganz vom Körper des Mannes verdeckt, legt die Frau ihren zur Seite geneigten Kopf auf das Haupt des Mannes und legt liebevoll ihre beiden Hände um sein Gesicht.
Mit einer ausladenden Geste will der Tod beide umfangen. Feine, zarte Linienzeichnung
Ich warte auf dich - Holzschnitt; Japanpapier; 580 x 380 mm; 1994/95
Linke und rechte Hälfte des Druckes bilden eine Zäsur. Die Tür, durch die der Tod die Frau führt, ist die Trennung von Leben und Tod. Links der Mann, der noch versucht, die Frau zurückzuhalten, muss zusehen, wie der Tod die Frau mitnimmt. Sie setzt ihren Schritt nicht fort, wendet sich dem Mann zu, reicht ihm die Hand. Er will sie ergreifen. Beide Hände treffen sich und bilden exakt den Mittelpunkt des Bildes.
Alles ist gut - Holzschnitt; Japanpapier; 580 x 380 mm; 1994/95
Eng umschlungen Mann und Frau. Die Körper scheinen zu verschmelzen. Ihre Gesichter nur angedeutet, fast nicht von einander zu unterscheiden. Schwungvoll die Umrisslinien beider Körper, die noch durch die gleichartige Gestaltung der Umgebung verstärkt werden.
Nur der Tod ist eine „Einzelfigur" und steht streng durchgezeichnet hinter den beiden, seine Hand wie zur Mahnung erhoben